Börsenbriefe: Wie “Börsengurus” Anleger betrügen

Heute geht es um ein Thema, das vermutlich schon so alt ist wie die Börse selbst:

Der Börsenbrief.

Kluge Aktienpropheten geben kluge Ratschläge, was der dumme Anleger denn am besten kaufen soll. Klar, dass ich dem Ganzen gelinde gesagt kritisch gegenüberstehe.

Wie man mit Börsenbriefen sogar eine grenzgeniale Betrügerkarriere starten kann, sehen wir uns in einem kleinen Beispiel an. Nicht nachmachen, das ist selbstverständlich strafbar!

Legen wir los.

Bloß nicht selber denken: Verantwortung outsourcen

Börsenbriefe sprechen etwas sehr Ursprüngliches im Menschen an:

Das Bedürfnis nach Halt und Anleitung in einer unkontrollierbaren Welt. Es ist doch perfekt, jemand sagt mir worin ich investieren soll und ich muss mich nicht mit dem komplizierten Kapitalmarktgedöns auseinandersetzen.

Du weißt, dass ich so eine Haltung gegenüber Finanzen und Geldanlage strikt ablehne. Es muss ja nicht jeder sich damit bis ins letzte Detail auseinandersetzen aber diese Themen sind so universell, dass sich jeder zumindest im Ansatz damit beschäftigt haben sollte. Es gibt mehr als genug Informationen im Internet.

Habe dein Geld selbst im Griff. Übernehme Verantwortung für dein finanzielles Handeln.

Ein Börsenbrief läuft dieser Überzeugung grundsätzlich diametral zuwider. Er steht für all das, was ich ablehne. Es ist so, als würdest du die Verantwortung an jemanden outsourcen. Auf den kann man dann mit Finger zeigen, wenn etwas nicht so läuft wie es soll.

Dabei ist es meiner Ansicht nach eine der grundlegenden Eigenschaften eines Investors, eben Verantwortung zu übernehmen.

Es gibt aber noch viel gravierendere Gründe warum du Börsenbriefe vergessen solltest:

Du wirst womöglich übers Ohr gehauen.

Das perfekte Verbrechen mit einem Börsenbrief

Wie eingangs bereits versprochen, gibt es hier eine Anleitung, wie man mit einem Börsenbrief den Leuten einen Haufen Geld aus der Tasche ziehen kann.

Und so geht es:

Du hast dir in einer windigen Ecke des Internets 100.000 E-Mailadressen besorgt. Diese teilst du in zwei Gruppen à 50.000 auf und schickst während der nächsten 10 Monate alle vier Wochen eine gratis E-Mail mit deiner Prognose z.B. für den DAX.

Jeder der Gruppen bekommt eine eigene Version der ansonsten identischen E-Mail. Der einen Gruppe erzählst du, dass der DAX im nächsten Monat deiner sachkundigen Analyse nach auf jeden Fall steigen wird. Der anderen erzählst, dass deine Profiprognose ergeben hat, der DAX wird im nächsten Monat definitv fallen.

Nach einem Monat können zwei Dinge passieren: Entweder ist der DAX tatsächlich gefallen oder er ist gestiegen. Genau genommen könnte er auch unverändert sein aber dass er exakt bei dem Punktestand wie einen Monat zuvor abschließt ist dann doch nicht sehr wahrscheinlich. Er wird sich eher zumindest etwas in die eine oder andere Richtung bewegen.

Das heißt eine der beiden Gruppen hast du tatsächlich das eingetretene Ergebnis vorhergesagt.

Als nächstes vergisst du die Gruppe, welche die falsche “Vorhersage” bekommen hast und fokussierst dich auf die 50.000 mit der “korrekten” E-Mail.

Diese teilst du wieder in zwei gleich große Gruppen auf. 25.000 bekommen eine Mail mit der Vorhersage das der DAX im nächsten Monat steigt und die anderen 25.000 das der DAX im nächsten Monat fällt. Alles natürlich auf Basis deines proprietären Handelssystems und Analyseprozesses.

Am Ende des zweiten Monats hat eine der Gruppen wieder die richtige Vorhersage erhalten, damit haben 25.000 der ursprünglich 100.000 Empfänger von dir schon 2 richtige Aussagen am Stück ins Postfach bekommen.

Diesen Prozess wiederholst du jetzt Monat für Monat. Das heißt im Monat drei werden die 25.000 mit den bislang immer richtigen Aussagen wieder in zwei Gruppen aufgeteilt und erhalten wieder jeweils eine eigene Version.

Das geht jetzt Monat für Monat so weiter

Nach 4 Monaten sehen die Möglichkeiten grafisch dargestellt so aus:

Börsenbriefe

In dieser Grafik sind alle möglichen Szenarien die auftreten können abgebildet. Wie man sehen kann verdoppelt sich mit jedem Schritt die Anzahl der möglichen Szenarien.

Oder in mit anderen Worten ausgedrückt: Mit jedem weiteren Monat halbiert sich die Gruppe, welche stets die richtige Prognose zugeschickt bekommen hat.

Zu Beginn haben wir mit 100.000 angefangen, nach 4 Monaten bleiben damit über:

100.000 -> 50.000 -> 25.000 -> 12.500 -> 6.250

Nicht schlecht, 6.250 Menschen haben von dir viermal hintereinander die korrekte Prognose zugeschickt bekommen.

Aber wir treiben das Ganze auf die Spitze, dieser Prozess wird 10 Monate hintereinander wiederholt. Nach diesen 10 Monaten haben 97 Empfänger immer die korrekte Vorhersage erhalten:

100.000/2^10 = 97,65

Ist doch eine hervorragende Leistung von dir als Börsenguru, oder nicht?

Zeit das du Kapital daraus schlägst. Diesen 97 Leuten bietest du in geschickter Verkaufsmanier an, deine Prognosen kostenpflichtig weiter zu beziehen. Für lächerliche 199€ im Monat lässt du ihnen regelmäßig die Ergebnisse deiner ausgetüftelten Algorithmen und Börsenerfahrung zukommen.

Vergiss nicht vorzurechnen wie wenig das ist im Vergleich zu dem was sie in den letzten 10 Monaten hätten verdienen können, wenn sie von Anfang an auf dich und deine todsicheren Tipps gehört hätten.

Die verbleibende Gruppe wird ins Grübeln kommen: “Der Typ hat 10 Mal hintereinander die Entwicklung des DAX richtig prognostiziert, irgendwas muss er ja auf dem Kasten haben. Wenn ich von Anfang an dabei gewesen wäre, dann wäre ich jetzt schon finanziell frei.”

Und BAM! hast du 97 Leute am Haken, die echtes Geld für deine Tipps auf den Tisch legen.

97 * 199€ = 19.303€/Monat

Für eine Rundmail im Monat ist das doch kein schlechter Lohn.

Damit hier keiner auf irgendwelche blöden Ideen kommt: Das Ganze ist natürlich glatter Betrug und verboten!

Ich erzähle dir lediglich davon, damit du nicht in die gleiche Falle tappst wie schon zigtausende andere Anleger auch.

Ist jeder Börsenbrief betrügerisch?

Nein natürlich nicht.

Nicht jeder Börsenbrief versucht dich zu betrügen aber deswegen würde ich niemals soweit gehen und diesen dann als seriös zu bezeichnen.

Denn im Endeffekt gibt es drei Möglichkeiten, was ein Börsenbrief sein kann:

börsenbrief-kann-sein

Über die ersten beiden Möglichkeiten brauchen wir gar nicht weiter zu reden, die erklären sich denke ich von selbst.

Das Harmloseste was ein Börsenbrief damit sein kann ist nutzlos. Es ist wissenschaftlich erwiesen, den Markt kann man nicht zuverlässig schlagen oder vorhersagen.

Das heißt, wenn der Herausgeber dich nicht betrügen oder dir etwas verkaufen will (neben seinem Börsenbrief z.B. einen eigenen Fonds) dann glaubt er vielleicht tatsächlich klüger zu sein als der Markt.

Möchtest du auf so jemanden wirklich hören, wenn es um die Anlage von deinem sauer verdienten Geld geht?

Falls du also auch nur ansatzweise mit dem Gedanken schwanger warst, einen Börsenbrief oder etwas Ähnliches in der Richtung zu abonnieren:

Tu es nicht.

Spar dir das Geld und lege es selbst sauber diversifiziert an.

Fazit und was du mitnehmen solltest

Der Börsenbrief ist mit den immer besser verfügbaren Informationen im Internet schon seit Jahren am absteigenden Ast. Hier die zeitliche Entwicklung der Suchanfragen in Google Trends:

börsenbrief-google-trends

Man könnte somit meinen, es wäre nicht mehr wichtig zu wissen wie man mit einem Börsenbrief geblendet werden kann aber das ist falsch. Die Form der Börsenbriefe hat sich vielleicht verändert.

Es gibt kaum noch physische Börsenbriefe aber dafür immer mehr Web-Seiten da draußen, die in ähnlicher Art und Weise versuchen dir weiß zumachen sie könnten die Zukunft vorhersagen und hätten den nächsten heißen Tipp für dich. Gegen Bares natürlich.

Das vorgestellte betrügerische Prinzip beschränkt sich im Übrigen nicht nur auf den Aktienmarkt, sondern kann leicht auf andere Bereiche, wie Sportwetten, Wettervorhersage und noch vieles mehr angewendet werden.

Halte also die Augen offen.

Du solltest von jetzt an in der Lage sein erkennen zu können, wenn jemand versucht dich mit einem simplen Ereignisbaum wie weiter oben übers Ohr zu hauen.

Wir haben gesehen, für manche aus der Gruppe ist es unvermeidbar scheinbare Nicht-Zufälligkeiten zu sehen. Sei dir dessen bewusst und lass dir nicht von jemandem einreden du wärst dort wo du bist, weil er es vorhergesehen hätte.

Manchmal ist es einfach unvermeidlich.

Mein Net Worth im April 2022:
253.000 €

Melde dich jetzt für meinen kostenlosen Newsletter Homemade Finance Insider an (1-2 E-Mails pro Woche) und erhalte neben exklusiven Content und Tools sofort Zugriff auf meinen detaillierten Net Worth Report (PDF) für März 2022. Du erhältst Einblick darüber, wie sich mein Net Worth zusammensetzt, wie mein Wertpapierportfolio aufgebaut ist, dessen Performance sowie die ETF die ich aktuell bespare. Kurzum: The good stuff! 🙂

E-Mailabfrage HFI Newsletter Before and After Content

Ich bin damit einverstanden, dass die Alexander Werle GmbH mich per E-Mail kontaktiert und kenne die Datenschutzhinweise.

Comments (34)

    • Alex
  1. Chris
    • ALEX
    • Alex
    • Alex
  2. Alex
  3. David
  4. AcidApple
  5. Joe
    • Alex
      • Joe
      • Alex
  6. Joe
  7. Michael
    • Björn
  8. Björn
    • Björn
  9. Björn
    • Björn
      • Björn
  10. Björn
  11. Björn
  12. Michael Gallrauner
  13. otto jochen
  14. Waldgeist
  15. Hans
  16. Berg

Leave a Comment!