Ist Oikocredit wirklich eine nachhaltige Geldanlage?

Es klingt nach einer super Alternative zu Aktien und ETF:

Geld sozial nachhaltig investieren und eben dieses Geld ein wenig für sich arbeiten lassen. Laut Oikocredit ist das durchaus möglich. Im Folgenden sehen wir uns genauer an, was es mit Oikocredit auf sich hat und ob es sinnvoll ist, so das eigene Geld anzulegen.

Was ist Oikocredit?

Oikocredit ist keine Bank, sondern vielmehr eine Genossenschaft mit Hauptsitz in den Niederlanden. Deren Ziel ist es, (Kleinst-)Unternehmern in der dritten Welt zu helfen, sich selbst zu helfen. Das geschieht dadurch, dass diesen Unternehmern Zugang zu Kapital gewährt wird, um damit etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und sich selbst versorgen zu können. Der klassische Weg über eine Bank ist diesen (Kleinst-)Unternehmern meist versperrt und da kommt eben Oikocredit ins Spiel.

Ein Beispiel:

Eine Frau wohnt in einem kleinen Dorf irgendwo in der dritten Welt in der Nähe einer großen touristischen Ferienanlage und stellt einen Bedarf fest: Die Anlage verbraucht jede Menge Eier für ihre Gäste. Die Frau möchte diese Ferienanlage gerne beliefern und zu diesem Zweck Hühner anschaffen. Da es sich aber um einen Kleinstkredit handelt, mit dem sich keine traditionelle Bank beschäftigen möchte und sie außerdem so gut wie kein Eigenkapital sowie keine nennenswerten Sicherheiten hätte, kann sie kein Kapital für ihr Vorhaben auftreiben.

Hier tritt Oikocredit auf das Spielfeld. Die Frau geht mit ihrer Geschäftsidee zu einem der örtlichen Partner und stellt ihr Anliegen vor. Sie schafft es zu überzeugen und erhält einen Mikrokredit, um ihr Unternehmen zu starten. Sie schafft also Hühner an und verkauft von jetzt an Eier und vielleicht auch Fleisch an die Ferienanlage.

Damit hat sie ihre Zukunft wieder selbst im Griff und kann sowohl sich selbst als auch ihre Familie nachhaltig finanziell eigenständig über die Runden bringen.

Dieses Beispiel soll zeigen, worum es hier geht:

Nämlich darum, Menschen nicht einfach mal eben eine Spende, deren Nachhaltigkeit umstritten sein mag, zukommen zu lassen, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und aus eigener Kraft zu Wohlstand zu kommen.

Das Konzept klingt meiner Meinung nach sehr vielversprechend. Denn ich denke, dass es langfristig mehr Sinn macht, den Menschen zu helfen auf eigenen Beinen zu stehen, anstatt ihnen Mildtätigkeit angedeihen zu lassen.

Das sehen derzeit mehr als 50.000 Anleger offenbar ähnlich, denn Oikocredit konnte bislang rund 1 Milliarde Euro an Investorengeldern einsammeln. Nach eigenen Angaben wurde so, seit der Gründung im Jahr 1975, mehr als 37 Millionen Menschen in 70 Ländern geholfen.

Die Verteilung der Kredite nach Regionen sieht ungefähr so aus:

Wie man unschwer erkennen kann, liegt der Fokus der Aktivität derzeit auf Lateinamerika und Asien. Nach eigenen Angaben ist es aber das Ziel, den Anteil innerhalb Afrikas erheblich zu erhöhen. Allerdings sei das aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht ganz einfach.

Den Löwenanteil der Tätigkeiten macht die Vergabe von Mikrokrediten aus:

Hierbei vergibt Oikocredit nicht direkt sowie eigenständig Kredite, sondern arbeitet mit Mikrofinanzierungsinstituten vor Ort zusammen. Das ist in meinen Augen effizient, denn für ausländische Organisationen ist der Zugang in diese, nicht selten entlegenen, Gegenden nicht ganz unproblematisch. Da ist es von Vorteil ein paar “Locals” mit an Bord zu haben, die sich auskennen.

Wie kann man bei Oikocredit Geld anlegen und wie viel Rendite gibt es?

Wenn man sich bei Oikocredit beteiligen möchte, dann wendet man sich direkt an die Institution und wird Mitglied. Denn wie eingangs erwähnt, handelt es sich hierbei um eine genossenschaftliche Organisation. Ab 200€ aufwärts ist man bereits dabei. Zusätzlich fällt noch eine Mitgliedsgebühr von ein paar Euro im Jahr an. Weitere Gebühren durch die Beteiligung entstehenn nach aktuellem Stand von Seiten von Oikocredit nicht.

Das heißt folglich, man erwirbt einen Anteil am Eigenkapital und wird dadurch zu einer Art Miteigentümer mit Stimmrecht und allem was dazugehört. Hier sollte man kurz hellhörig werden, denn Eigenkapital zu besitzen, heißt stets auch im vollen Risiko zu sein.

Und das ist auch hier der Fall, denn naturgemäß gibt es keine Einlagensicherung, die Greifen könnte. Zwar operiert Oikocredit offenbar sehr seriös und hatte auch keine Skandale. Dennoch sollte man sich dessen bewusst sein, wenn man Anteile erwirbt.

Mit dieser Tatsache geht die Genossenschaft aber auch selbst sehr offen um und weist eigenständig darauf hin, dass man nicht all sein Erspartes blindlings investieren sollte. Angeblich achtet man auch von deren Seite darauf, dass sich Anteilserwerber finanziell damit nicht zu viel Risiko ans Bein binden.

loan photoRenditetechnisch ist es so, dass die Dividende auf maximal 2% p.a. begrenzt ist. Das heißt, auch wenn mehr Geld verdient wird, bekommt man als Anleger nicht mehr ausgeschüttet. Meiner Meinung nach ist das ein zweischneidiges Schwert:

Einerseits erlaubt es nachhaltig zu wirtschaften, ohne kurzfristige Anreize und den Druck der Eigentümer berücksichtigen zu müssen. Das führt beispielsweise dazu, dass Kredite von Oikocredit oftmals unter dem Zinssatz anderer Anbieter vor Ort liegen.

Andererseits stellt sich mir die Frage, was mit dem überschüssigen Gewinn passiert. Sicherlich wird es offiziell der Genossenschaft selbst irgendwie zugutekommen, aber aus der wissenschaftlichen Theorie (untermauert von gesundem Menschenverstand) wissen wir, dass freie Geldbeträge in Organisationen ineffiziente Begehrlichkeiten wecken können.

Ich will hier auf keinen Fall etwas unterstellen. Es geht mir lediglich um eine vollständige Darstellung der positiven wie auch negativen Möglichkeiten dieser restriktiven Dividendenpolitik.

Liquiditätstechnisch scheint es, im Gegensatz zu anderen genossenschaftlichen Strukturen (namentlich Raiffeisen- und Volksbanken), sehr gut bestellt zu sein und Anteile können sowohl  flexibel erworben als auch wieder verkauft werden.

Zwischenfazit: Ab 200€ kann man bei Oikocredit dabei sein. Es handelt sich um Anteile am Eigenkapital der Genossenschaft und damit ist es zumindest möglich Kapitalverluste zu erleiden. Man sollte also nicht alles auf eine Karte setzen. Weiterhin ist die Dividende auf 2% p.a. beschränkt.

Wer garantiert mir, dass mein Geld auch da ankommt wo es soll?

Oikocredit wird jährlich von Wirtschaftsprüfern (derzeit KPMG) durchleuchtet und die sehen sich natürlich an, ob alles plausibel ist. Da es sich hier um Kredite handelt, von denen schließlich auch Tilgung sowie Zinsen zurückkommen, kann man, im Gegensatz zu Spenden, relativ leicht prüfen, ob das Geld auch wirklich in Projekten steckt. Denn ohne Projekte gäbe es auch keine Zinsen.

Weiterhin geht Oikocredit ebenfalls sehr offen mit seinen Beteiligungen um und ist sich dessen bewusst, dass Transparenz ein hohes Gut für sie darstellt. Denn mit dem Anspruch eine sozial nachhaltige Geldanlage zu ermöglichen, muss man hohen Anforderungen seitens der Anleger gerecht werden.

Daher veröffentlicht die Genossenschaft selbst regelmäßig Nachhaltigkeitsberichte und interessiert sich ebenso für die gesellschaftlichen Auswirkungen von den gewährten Krediten.

Passt eine Beteiligung an Oikocredit in mein Portfolio?

Wie wir sehen können, gibt es bereits einige Anleger in verschiedensten Ländern, die Oikocredit überzeugen konnte. Aber passt es auch wirklich in unser Portfolio?

Zuerst muss ich sagen, dass ich das Konzept von Oikocredit mag, aber auf die Frage, ob es in mein Portfolio passt, muss ich klar mit Nein antworten. Zumindest für mich ist es so.

Aber lass’ es mich etwas relativieren:

Oikocredit ist eine tolle Sache. Meiner Meinung nach ist es allerdings nicht geeignet ein klassisches Depot oder Tagesgeldkonto zu ersetzen. Das hat einfach mit dem Risiko zu tun. Auf der Homepage der Genossenschaft wird zwar damit geworben, dass bislang (seit 1975) noch kein Anleger auch nur einen Cent verloren hat, aber nichtsdestotrotz handelt es sich um Eigenkapital und damit um ein potentielles Totalverlustrisiko. Das muss man also stets im Hinterkopf behalten.

africa market photoMeiner Ansicht nach, ist Oikocredit damit kein Depotersatz, sondern vielmehr eine tolle Alternative zur Spende. Wir alle wissen, dass wir etwas von unserem Einkommen regelmäßig gemeinschaftlichen Projekten zukommen lassen sollten, die Menschen in ärmeren Ländern helfen. Meiner Meinung nach, ist es aber sinnvoller, dies über die Hilfe zur Selbsthilfe zu tun als über eine  reine Spendenorganisation. Und das geht eben über Oikocredit.

Zwischenfazit #2: Was Oikocredit kann, ist die klassische Spende zu ersetzen, aber nicht dein Depot oder Tagesgeldkonto.

Meine Bewertung von Oikocredit

Meiner persönlichen Meinung nach, ist Oikocredit eine super Sache, denn im Gegensatz zu Spendenorganisationen wird Menschen vor Ort nicht einfach nur sporadisch mehr oder weniger sinnvoll geholfen, sondern dafür Sorge getragen, dass die Bevölkerung sich nachhaltig selbst versorgen und zu Wohlstand kommen kann.

Das trägt, meiner Ansicht nach, um ein Vielfaches mehr dazu bei als beispielsweise subventionierte Lebensmittel nach Afrika zu fahren, dort kostenlos zu verteilen und damit nebenbei die lokale Wirtschaft zu ruinieren. Denn klar können die Kleinbauern dort Hühnerfleisch (um wieder auf unser Eingangsbeispiel hinzuweisen) nicht so günstig produzieren wie die EU-Länder mit ihren industrialisierten Betrieben.

Daher halte ich Oikocredit tatsächlich für eine nachhaltige und interessante Geschichte.

Aber gleichzeitig sehe ich es nicht als wirkliche Möglichkeit zur klassischen Geldanlage. Denn durch das theoretische Risiko eines Totalverlustes und die begrenzte Dividende auf 2% p.a. ist es einfach nicht geeignet, um ein Aktienportfolio zu ersetzen.

Vielmehr sehe ich Oikocredit als sinnvolle Alternative zur klassischen Spende an.

Es ist um Dimensionen sinnvoller, Menschen die Chance zu geben, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen als einfach nur zur Weihnachtszeit mal wieder den großzügigen Westeuropäer rauszukehren und sich mittels Spenden Ablass zu erkaufen.

Wer Geld hat, sollte auch stets regelmäßig etwas davon für Menschen in Not abgeben. Aber nicht in Form von Spenden, sondern in Form einer Chance beziehungsweise einem Mikrokredit. Denn mit dieser Starthilfe wird vielen Menschen ermöglicht, dauerhaft ein besseres und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Fazit: Mein Portfolio bleibt wie es ist, aber statt klassisch zu spenden, setze ich auf Mikrokredite.

Mehr Informationen findest du unter www.oikocredit.de

Ich würde sehr gerne deine Meinung dazu hören. Sollte man wirklich umdenken und anstatt zu spenden, sein Geld besser in Mikrokredite anlegen? Oder denke ich Geldgeier in deinen Augen nur an meine Rendite? Hast du mit Oikocredit vielleicht sogar schon Erfahrungen? Lass deine Meinung in den Kommentaren da und diskutiere mit! Ich freue mich darauf!

Fotos: A.Davey LendingMemo

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